Cover
Titel
In der Résistance. Schweizer Freiwillige auf der Seite Frankreichs (1940–1945)


Autor(en)
Huber, Peter
Erschienen
Zürich 2020: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
304 S.
Preis
CHF 38.00
von
Adrian Wettstein

Seit mehr als zehn Jahren publiziert Peter Huber schwergewichtig zu Schweizern, die im mittleren Drittel des 20. Jahrhunderts in ausländische Kriegsdienste zogen. Zuerst untersuchte er die «Spanienkämpfer», dann Schweizer, die in der Fremdenlegion Frank- reichs Kolonien in Indochina und Nordafrika zu verteidigen halfen, und nun Schweizer, die im Zweiten Weltkrieg auf Seite der Résistance kämpften. Das vorliegende Buch ist vom Aufbau – bis hin zu identischen Kapiteltiteln – und der Methodik her äusserst nahe an Hubers Vorgängerstudie «Fluchtpunkt Fremdenlegion» und teilt dessen Stärken, leider aber auch dessen Schwächen.1

Wie schon bei seinem Vorgängerwerk liegt Hubers grosses Verdienst darin, eine bisher wenig beachtete Gruppe geschichtswissenschaftlich zu untersuchen. Dabei erfasst er sowohl jene Schweizer, die sich in Frankreich irregulär kämpfenden Gruppen anschlossen (im Verlaufe des Krieges als Forces françaises de l’intérieur (FFI) formalisiert), als auch jene, die in den ausserhalb von Frankreich aufgestellten regulären Truppen dienten (als Forces françaises libres (FFL) bezeichnet). Erneut war damit für Huber die aufwändige Arbeit verbunden, tausende militärgerichtliche Dossiers zu durchpflügen, um darin 466 Freiwillige zu identifizieren. Zusätzlich konnte Huber in dieser Studie auf französische Aktenbestände zurückgreifen. Anhand einer Stichprobe von 95 Freiwilligen analysiert Huber die Schweizer Freiwilligen dann genauer hinsichtlich ihres sozialen Profils, ihrer Motivation zum Kampf in der Résistance sowie ihres Schicksals während und nach dem Krieg. Für den Eintritt in die Résistance identifiziert Huber sechs Motivationskomplexe: 1.) «Antifaschismus», 2.) Patriotismus und «Frankophilie», 3.) Legionäre, die 1940 in England strandeten, 4.) Legionäre, die im Nahen Osten und in Nordfrankreich aufgrund der Kriegslage überliefen, 5.) Schwierigkeiten im Zivilleben in der Schweiz und 6.) der unscharfe Komplex «Freude am Militär, Suche nach Kameradschaft, ‹La mystique des maquis›» (S. 88). 31 Lebensläufe im zweiten Teil des Buches ergänzen die statistische Analyse und geben den Schweizer Freiwilligen ein individuelles Gesicht. Auch dieser Teil gehört zu den Stärken des Buches.

Als grundsätzliche Schwierigkeit gegenüber der Vorgängerstudie stellt sich die Heterogenität der Schweizer Freiwilligen im Zweiten Weltkrieg heraus, die vor allem aus den unterschiedlichen Eintrittsbedingungen für die FFI und die FFL resultierte. Huber unterteilt die Schweizer Freiwilligen folglich aufgrund der Eintrittszeitpunkte, der Vorbedingungen und der Zugehörigkeit zu FFI oder FFL in fünf Kategorien. Die erste Kategorie bilden jene Schweizer, die sich zumeist ab 1944 aus der Schweiz den FFI anschlossen. Die zweite Kategorie bilden jene ebenfalls in den FFI tätigen Schweizer (zur Hälfte Doppelbürger), die bei Kriegsausbruch schon in Frankreich wohnhaft waren. Die dritte Kategorie besteht aus Auslandsschweizern ausserhalb des von den Achsenmächten besetzen Raumes, die sich der Résistance anschlossen. In der vierten Kategorie fasst Huber jene Schweizer zusammen, die als Fremdenlegionäre in der 13. Halbbrigade dienten und im Sommer 1940 nach dem Rückzug aus Norwegen in London zu den FFL übertraten. In der fünften Kategorie stehen jene Schweizer Fremdenlegionäre, die aufgrund der Kriegssituation im Nahen Osten (Sommer 1941) und Nordafrika (Ende 1942) zu den FFL wechselten.

Aus dieser an sich sinnvollen Kategorisierung resultieren sehr kleine Fallzahlen in den einzelnen Kategorien, was bei einer sauberen statistischen Betrachtung viele Unsicherheiten schaffen würde (insbesondere, wenn in Einzelfällen nur von der Hälfte der Stichprobe Daten vorhanden sind). Jedoch fällt die methodische Diskussion der statistischen Analyse sehr dünn aus, und Begriffe wie Konfidenzintervall oder Signifikanz fehlen gänzlich. Auch Detailfehler wie unterschiedliche Prozentsätze bei gleichen absoluten Zah-len (S. 19) vermögen das Vertrauen in die Resultate nicht gerade zu heben. Unwillkürlich fragt man sich angesichts der in der Vorgängerstudie untersuchten Stichprobe von 421 Individuen, ob nicht eine Vollerhebung oder ein Fokus auf die FFI oder FFL sinnvoller gewesen wären.

Auch eine methodische Diskussion zu den Militärgerichtsakten fehlt – wie schon in der Vorgängerstudie – fast völlig. Daneben fallen die vielen Detailfehler unangenehm auf, beispielsweise wenn aus einem mitrailleur in der Übersetzung ein Kanonier wird (S. 89), wenn anstelle des Fouriers der für die Schweiz unübliche eingedeutschte Furier steht (S. 244) oder wenn bei einer Gefängnisstrafe aus Jahren Monate werden (S. 113). Handwerklich bedenklich ist die Verwendung von Zeitungartikeln als weiterführende Literatur, wo bereits wissenschaftliche Studien vorliegen (S. 148). Gleiches gilt für unpräzise Sätze, die historisch falsch sind, wie etwa: «Zehntausende Ausländer haben an der Befreiung Frankreichs teilgenommen – das grösste Kontingent stellen die 30‘000 schwarzafrikanischen Kolonialsoldaten» (S. 8). Tatsächlich wurde Frankreich vor allem von Ausländern befreit – nämlich von hunderttausenden amerikanischen, britischen und kanadischen Soldaten. Auch die teilweise problematische Rezeption der Forschungsliteratur wirft Fragen auf. So ordnet Huber die weitgehend apolitischen Schweizer Fremdenlegionäre in die Legionstradition ein und beruft sich dabei auf die Studie von Michels zu deutschen Fremdenlegionären (S. 77 f.). Die Belegstelle bezieht sich allerdings auf die Fremdenlegionäre in Indochina, während Michels selber gerade für die erste Phase des Zweiten Weltkrieges aufgrund des Zuflusses von geflüchteten Spaniern, Deutschen, Polen und Tschechen eine von der Legion als Bedrohung empfunden Politisierung ausmacht.2

Fazit: Huber widmet sich in seiner Studie einer bisher wenig beachteten Gruppe von Schweizer Kriegsfreiwilligen, die er mit grossem Aufwand in den Quellen lokalisiert. Die Auswertung der gewonnen Daten lässt methodisch allerdings sehr zu wünschen übrig, was den wissenschaftlichen Wert der Studie leider erheblich schmälert.

Anmerkungen
1 Vgl. hierzu die Rezension des Autors in der Militärgeschichtlichen Zeitschrift 77/2 (2018), S. 648–650.
2 Eckard Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870–1965. Mythen und Realitäten, Paderborn 2006, S. 113 f.

Zitierweise:
Wettstein, Adrian: Rezension zu: Huber, Peter: In der Résistance. Schweizer Freiwillige auf der Seite Frankreichs 1940–1945, Zürich 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (3), 2021, S. 570-572. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00093>.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit